„Ich möchte einfach nur die beste BU-Versicherung abschließen“, sagte mir erst letzte Woche ein Kunde. “ Sie haben da doch bestimmt eine Liste“.
Na ja, so einfach ist die Sache leider eben nicht. Wie bei jeder Sparte, so ist es auch und gerade bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) nicht mit einer pauschalen Liste getan. Wie immer müssen individuelle Details besprochen und bewertet werden, bevor die geeigneten Anbieter und Tarife ausgewählt werden können.
Selbstverständlich kann man bestimmte grundsätzliche Leistungspunkte, die praktisch für jeden Versicherten wichtig sind, einer eingehenden Untersuchung unterziehen und dann eine Liste der guten und weniger guten Tarife erstellen.
Als Erste Orientierungshilfe ist das sicher auch gut, sofern die Kriterien transparent, nachvollziehbar und logisch sind.
In der Vergangenheit hatte ich mich ja bereits zu einigen sehr merkwürdigen Tests der „Finanztest“ geäußert:
Finanztest testet BU-Versicherungen
Finanztest testet (schon wieder) BU-Versicherungen
Diesmal in der Anstoß für meinen Artikel aber nicht die Finanztest, sondern das
Analysehaus Morgen & Morgen aus Hofheim am Taunus.
Jahr für Jahr gibt Morgen und Morgen das „M&M Rating Berufsunfähigkeit“ heraus. Es werden reichlich Sterne verteilt (wie bei Hotel-Bewertungen). Diesmal wirft man mit Sternen wieder nur so um sich.
Interessant ist auch diesmal, welche Versicherer die Höchstnote ***** erhalten. Von der Menge der
Mit ***** bewerteten Anbieter will ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen. Es wäre wunderbar, wenn es tatsächlich so viele Spitzenprodukte im Bereich der BU-Versicherungen gäbe.
Nach welchen Kriterien wurde geprüft?
Mein erster Blick geht bei solchen Analysen ja immer auf die Prüfkriterien. Von Finanztest bin ich ja Kummer gewohnt. Aber auch Morgen & Morgen begibt sich hier m. E. auf sehr dünnes Eis.
Die Versicherungsbedingungen, also die Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch wird mit 50% bewertet. Da darf doch wirklich die Frage erlaubt sein, ob das der richtige Ansatz ist. Die so genannte BU-Kompetenz wird mit 30% gewichtet. Was, Sie wissen nicht, was damit gemeint ist? Nun, unter „BU-Kompetenz“ versteht Morgen und Morgen BU-Erfahrung, BU-Bestand, BU-Prozesse, BU-Leistungsfallprüfung und BU-Antragsprüfung. Was genau Die Erfahrung, die Bestandsgröße und die Prozesse (sind damit die internen Arbeitsprozesse oder Gerichtsprozesse gemeint?) mit der Qualität zu tun haben, wird leider nicht klar.
Die Antragsfragen gehen mit 10% ins Gesamtrating ein. Ebenfalls der Punkt BU-Solidität. Die Solidität soll Bilanzkennzahlen messen.
Später wird man aber auch noch feststellen, dass der Preis auch eine Rolle spielt.
Welche Berufe wurde zugrunde gelegt?
Es wurden Angebote für „risikoarme“ (Notar, Akademiker, 100% Bürotätigkeit) und „risikoreiche“ (Dachdecker, 100% körperlich tätig) Beruf bewertet.
Wie sehen die Ergebnisse aus?
Da die Versicherungsbedingungen (die einzig wirklich messbare Größenordnung) nur mit 50% bewertet werden, gibt es sehr interessante Ergebnisse. Die Darstellung der besten Tarife für dies beiden geprüften BU-Gruppen wurde so vorgenommen, wie ich es befürchtet hatte. Genau so, wie in der Praxis überwiegend beraten wird. Nämlich oberflächlich und „sterneorientiert“ anhand zweifelhafter Prüfkriterien. Man gebe die „Grunddaten“, also z. B. Mann, 30 Jahre, Nichtraucher, Notar (Akademiker, 100% Bürotätigkeit), Versicherungsdauer und Leistungsdauer 37 Jahre, 1.500 € garantierte mtl. BU- Rente, monatliche Zahlweise, Überschusssystem Sofortrabatt, min. 4 Sterne im M&M BU-Rating ein und sortiere dann nach dem Preis.
Wer ist denn nun der beste Anbieter?
eines vorweg: es gibt mehrere beste Anbieter.
Im einzelnen sind das
Gothaer, Barmenia, HanseMerkur, WWK, Volkswohl Bund, Württembergische, Continentale, InterRisk, IDUNA, Allianz und Öffentliche Leben.
Alles ohne Frage wunderbare Versicherer. Aber sind das „die besten“ BU-Versicherer?
Ich meine: Nein!
Sehen wir uns doch einmal an, welche Punkte in den Versicherungsbedingungen der „besten“ Anbieter nicht oder nicht gut geregelt sind. Bei anderen Anbietern aber möglich wären (keine abschließende Aufführung):
Das versicherte Ereignis „Kräfteverfall“ ist an den Zusatz „mehr als altersentsprechend“ gebunden.
Die Arztanordnungsklausel ist nicht sauber formuliert und lässt den Versicherern viel Spielraum.
Der Verzicht auf abstrakte Verweisung ist nicht vorhanden oder nicht klar definiert. Ansich ein absolutes KO-Kriterium!!!
Die zumutbare Einkommensreduzierung ist dicht definiert.
Definition bei Ausscheiden aus dem Beruf nicht vorhanden oder unklar.
Kein Verzicht auf ein befristetes Anerkenntnis.
Kein Verzicht auf die Anwendung des §163 VVG.
Keine Leistungserhöhung ohne Ereignis.
Keine garantierte Leistungsfalldynamik.
Keine Zahlung bei längerer Krankschreibung.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Aber ist das nicht schon alles schlimm genug?
Das Urteil:
Mir fehlen die Worte!
Das eigentlich schlimme ist, dass nun wieder zahlreiche ahnungslose Journalisten dieses Rating ungeprüft übernehmen werden. Unzählige ahnungslose Versicherungsmakler werden nach wir vor ungeprüft die Sternchentarife empfehlen und auch die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen auf diese Software zurück greifen. Leser, Kunden und Verbraucher werden in die Irre geführt.
Bitte vertrauen Sie niemals einem Sternchenrating!