Viele Bürger unseres Landes verfügen über einen Bausparvertrag.
Motiv für den Abschluss eines Bausparvertrages ist entweder die Sicherung eines zinsgünstigen Darlehens für eine wohnwirtschaftliche Verwendung oder die Ansammlung von Vermögen zur freien Verfügung.
Die Grundidee des Bausparens ist von einem Solidargedanken geprägt. Vereinfacht ausgedrückt zahlen alles Menschen, die den Erwerb oder Neubau einer Immobilie anstreben, in einen „Topf“ ein. Die Ersten können die angesammelten Mittel sofort verwenden und sorgen mit der Tilgung dafür, das neue Mittel hinzukommen, die den nächsten Sparern die notwendigen Gelder für Kauf oder Neubau sichern. Wenn man so will, ist das Bausparen eine Art von Schnellballsystem. Damit das System funktioniert, müssen ständig neue Gelder in den „Topf“ eingezahlt werden. Entweder aus Sparleistungen neuer Mitglieder oder aus Tilgungsleistungen von Bausparern, die bereits Gelder erhalten haben. Das Prinzip soll aus dem 18. Jahrhundert stammen. In Deutschland soll die Wiege dieser Idee im Schwabenland liegen.
Erst später hat man zur Stabilisierung des Systems Wartezeiten und Zuteilungsvoraussetzungen eingeführt. Grundsätzlich hat sich dieses System bis heute kaum verändert.

In den letzten Jahren hat sich aber einhergehend mit den gesunkenen Kapitalmarktzinsen ein interessanter und für die Bausparkassen negativer Trend entwickelt. Immer mehr Sparer verzichten auf die Inanspruchnahme des Darlehens und horten das Geld auf dem Vertrag oder entnehmen einfach das Guthaben ohne Inanspruchnahme des Darlehens. Somit fehlen Mittelzuflüsse durch Tilgungsleistungen. Im Gegenteil. Tendenziell erfolgen dadurch sogar Mittelabflüsse. Das Verhalten dieser Sparer ist natürlich absolut Nachvollziehbar. Bei einem Bausparvertrag steht bereits bei Vertragsabschluss fest, welchen Sparzins man erhält und wie hoch der Zins für das spätere Darlehen sein wird. Wenn man also einerseits einen alten Bausparvertrag mit einer Guthabenverzinsung von 3% und einem Darlehenszins von 6,5% hat, auf der anderen Seite für neue Sparverträge, Tagesgelder etc. mit Mühe und Not 1% Guthabenverzinsung erhält bzw. eine Darlehen für 2% erhalten kann, wäre es doch für den Einzelnen wirtschaftlich sinnlos, die alte, hohe Verzinsung aufzugeben bzw. das teure Darlehen aufzunehmen.

Da die Bausparkassen im aktuellen Zinsumfeld natürlich große Schwierigkeiten haben, die relativ hohen Zinsen der Altverträge darzustellen, versuchten und versuchen viele Bausparkassen sich der aus Ihrer Sicht unattraktiven Verträge zu entledigen.

Welche Rechte haben Sie?

Grundsätzlich und nach weitgehender Einigkeit sind Einzahlungen in einen Bausparvertrag bis zu Höhe der Bausparsumme möglich. Die Bausparkassen können jedoch Zahlungen, die den Regelsparbeitrag (je nach Bausparkasse ein bestimmter Prozentsatz der Bausparsumme) überschreiten ablehnen.
Ist die Bausparsumme erreicht müssen keinerlei Zahlungen mehr angenommen werden, da der der Zweck des Vertrages als erfüllt gilt.
Umstritten ist jedoch, ob der Bausparkasse in diesem Fall ein Kündigungsrecht zusteht. Für den Sparer wäre das natürlich nachteilig, denn er würde somit sofort seinen Zinsanspruch verlieren.
Die Gerichte kamen bisher zu unterschiedlichen Auslegungen. Überwiegend wurde den Bausparkassen die Kündigung zugestanden, wenn seit dem Darlehensanspruch zehn Jahre vergangen sind. Die Entscheidungen basierten auf §489 (1) 2. BGB. Wobei ich mich frage, wie das in §489 (1) 2. BGB geregelte Kündigungsrecht des Darlehensnehmers auf den Darlehensgeber übergehen kann. Vielleicht kann mir ein mitlesender Jurist auf die Sprünge helfen. [Siehe Update weiter unten].
Zusätzlich wurde begründet, dass der Bausparer nicht zu entscheiden habe, wie lange die Ansparphase andauere, weil der Sinn des Bausparens ja schließlich die Erlangung eines Bauspardarlehens sei.

Zu einer anderen Auffassung kamen das Amtsgericht Ludwigsburg (Urteil vom 7. August 2015 – Aktenzeichen: 10 C 1154/15) sowie das Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 9. Oktober 2015 – Aktenzeichen: 7 O 126/15) und das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 13.01.2016 – AZ.: 21 O 240/15).
Die Gerichte verneinten das „vollständige Empfangen“ des Darlehens nur deswegen, weil der Darlehensanspruch besteht.

Zusammenfassung:

Einzahlungen im Rahmen des Regelsparbeitrags und bis zur Höhe der Bausparsumme sind bis zu zehn Jahren nach voller Einzahlung der Bausparsumme unkritisch. Wenn Ihre Bausparkasse Ihnen die Auflösung eines Altvertrags, den Sie als reinen Sparvorgang bzw. als Anlageinstrument fortführen möchten vorschlägt, seien Sie bitte kritisch und rechnen Sie genau nach.

Sind Sie von einer Vertragskündigung betroffen, wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Auch die Verbraucherzentralen können ein erster Ansprechpartner sein.

Update 02.02.2016:

Am 01.02.2016 bestätigte das OLG Hamm das erstinstanzliche Urteil des LG Münster und gab damit einer Bausparkasse Recht, einen Vertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife zu kündigen.
Eine letzendliche Klärung ist damit aber noch nicht herbei geführt. Hier bleibt eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH abzuwarten. Diese wird aber nicht vor 2017 erwartet.

Strittig unter Juristen ist insbesondere, inwieweit §489 (1) 2. BGB Anwendung finden kann. Ich hatte oben ja bereits meine Zweifel formuliert, inwieweit die Bausparkasse als Darlehensnehmer angesehen werden kann.
Das Argument der Bausparkassen: Die Sparer würden den Bausparkassen durch ihre Einlagen Geld leihen, somit seien die Bausparkassen Darlehensnehmer mit den entsprechenden Kündigungsmöglichkeiten.
Ob bei den bisherigen Urteilen pro Bausparkasse tatsächlich nur die Frage der Anwendung des §489 (1) 2. BGB eine Rolle spielte oder ob auch gesamtwirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielten, ist rein spekulativ.
Warten wir also auf das höchstrichterliche Urteil des BGH…