Der Begriff der bisherigen Lebensstellung ist einer von vielen Begriffen in der Berufsunfähigkeitsversicherung, der dem Laien oftmals Verständnisprobleme bereitet. Anhand eines Urteils des OLG Oldenburg vom 05.02.2010 (Az.: 5 U 4/10) soll dieser Begriff beispielhaft dargestellt werden.
Dazu führt § 172 (3) VVG aus:
Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
Im vorliegenden Fall hat ein junger gelernter Metallbauer, der kurz vor dem Ende seiner Ausbildung eine BU-Versicherung abgeschlossen hatte, wegen einer Nickelallergie Leistungen von der Versicherung beansprucht. Der junge Mann war nach dem Ende seiner Berufsausbildung mehrfach arbeitslos bzw. kurzzeitig in verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt, für die es keine spezielle Ausbildung als Metallbauer bedurfte, wenngleich die Einstellungsvoraussetzung für seine Tätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung als Metallbauer war.
Wegen der bestehenden Nickelallergie beantragte der Mann die BU-Rente bei seinem Versicherer, da er in seinem Beruf nicht mehr tätig sein könne.
Das Gericht hatte sich jetzt mit der Frage zu beschäftigen, ob für den jungen Mann eine Tätigkeit als Metallbauer die aktuelle Lebensstellung darstellt, oder ob seine durch Arbeitslosigkeit und kurzfristige Beschäftigungen in Tätigkeitsfeldern, die ohne spezielle Ausbildung zu erledigen waren, als Lebensstellung anzusetzen seien.
Das Gericht kam zu der Überzeugung
Scheidet ein Versicherter wegen einer angeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung aus einem erst kurz zuvor begründeten Arbeitsverhältnis aus, so lässt sich in der Regel nicht davon sprechen, dass allein dieses Arbeitsverhältnis seine „bisherige Lebensstellung“ im Sinne der Versicherungs-Bedingungen geprägt hat. Vielmehr ist in derartigen Konstellationen eine in zeitlicher Hinsicht umfassendere Betrachtung geboten.
Das gilt in besonderem Maße, wenn die Erwerbsbiografie eines Versicherten von wechselnden beruflichen Tätigkeiten oder Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, ohne dass diese Veränderungen auf dem behaupteten Leiden beruhen.
Durch die brüchige Erwerbsbiografie des Versicherten darf der Versicherer dem Versicherten zumuten, eine andere Tätigkeit auszuüben, in der er nicht mit Nickel in Berührung kommt.
Über den Autor: Thomas Kliem
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