Quelle: http://www.bmg.bund.de/pflege/pflegestaerkungsgesetze/pflegestaerkungsgesetz-i.html vom 11.07.2014
Das erste Pflegestärkungsgesetz
1995 wurde das Pflegeversicherungsgesetz SGB XI eingeführt. Bis 2008, also 13 Jahre lang, gab es keine Änderungen oder Anpassungen des Pflegeversicherungsgesetzes. Erst mit der Pflegereform 2008 und dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) 2013 kam Bewegung in das Ganze. Nun kommen noch die beiden Pflegestärkungsgesetze heraus: das erste Pflegestärkungsgesetzt zum 01. Januar 2015 und das zweite Pflegestärkungsgesetz 1 Jahr später zum 01.01.2016.
Durch die Pflegestärkungsgesetze werden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Dadurch stehen fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Insgesamt können die Leistungen aus der Pflegeversicherung um 20 Prozent erhöht werden.
Welche Veränderungen wird es im 1. Pflegestärkungsgesetz geben?
Die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen ausgeweitet und die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen erhöht werden. Zudem soll ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden.
Wie genau sehen die Leistungsverbesserungen aus?
Welche Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden erhöht?
Alle Leistungsentgelte werden um 4 % angehoben, um die Preisentwicklung über den gesetzlich vorgegebenen Zeitraum der letzten 3 Jahre zu berücksichtigen.
Tabelle_Pflegeleistungen_ab_1._Januar_2015_Stand_BT
Was verbessert sich für die Pflege zu Hause?
Die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser miteinander kombiniert werden. Statt bisher 4 Wochen sind bis zu 8 Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3.224 Euro, bisher bis zu 3.100 Euro.
Für die Verhinderungspflege gilt folgendes: Wenn der pflegende Angehörige krank ist oder eine Auszeit braucht, wird eine Pflegekraft oder Vertretung benötigt. Hier soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu 6 Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher bis zu 4. Die Leistung wird von bis zu 1.550 Euro auf bis zu 2.418 Euro jährlich erhöht.
Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut.
Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann die Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Beispiel: Bisher gab es für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro. Nun sollen hierfür bis zu 3.224 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Auch Demenzkranke profitieren erstmals von dieser Leistung.
Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote werden gestärkt.
Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen werden ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Demenzkranke bekommen schon heute bis zu 100 oder 200 Euro/Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro/Monat). Künftig werden auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Damit können Leistungen von Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote finanziert werden. Es können aber auch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und der Bewältigung sonstiger Alltagsanforderungen im Haushalt helfen. Das können auch Pflegebegleiter der Angehörigen sein, die bei der Organisation und Bewältigung des Pflegealltags helfen. Und auch die Aufwandsentschädigung für einen, nach Landesrecht anerkannten ehrenamtlichen Helfer, kann damit bezahlt werden, der zum Beispiel beim Gang auf den Friedhof begleitet oder beim Behördengang unterstützt. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue „Umwidmungsmöglichkeit“ in Höhe von bis zu 50 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).
Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht.
Hier werden die Zuschüsse deutlich gesteigert: von bisher bis zu 2.557 Euro auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie statt bis zu 10.228 Euro jetzt bis zu 16.000 Euro pro Maßnahme erhalten. Das ist eine gute Sache, da die Umbaumaßnahmen natürlich immer ein hoher Kostenaufwand ist.
Die Zuschüsse zu den im Alltag verbrauchten Pflegehilfsmitteln werden von bis zu 31 Euro auf bis zu 40 Euro im Monat angehoben. Das reicht vorn und hinten nicht aus. Ein Paket Inkontinenz-Windeln (56 Stück) kostet 72 Euro. Wenn man bedenkt, dass man „nur“ 3 Stück am Tag benötigt, braucht man im Monat also mindestens 90 Stück, das heißt 1,5 Pakete und dann ist man mal eben schnell bei 108 Euro pro Monat. Ein Paket Krankenunterlagen 60×90 (Betteinlagen) (50 Stück) kostet 34,90 Euro. Diese braucht man meist zusätzlich. Hier muss nach wie vor einiges selbst dazu gezahlt werden.
Was wird zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen getan?
An den pflegenden Angehörigen wird auch gedacht. Immerhin wird viel Geld gespart, weil die Geldleistungen, die der Pflegebedürftige für die Laienpflege erhält, die geringsten Leistungen sind, die von den Pflegekassen ausgekehrt werden. Nicht auszudenken, was mit der Beitragshöhe und den Leistungen passieren würde, würden weniger Angehörige pflegen.
Wie oben schon ausgeführt werden die Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tages- und Nachtpflege ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Mehr zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote stehen zur Verfügung und die Zuschüsse für nötige Umbaumaßnahmen und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel steigen.
Die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll verbessert werden. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung soll in einem separaten Gesetz geregelt werden, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.
Was verbessert sich in den stationären Pflegeeinrichtungen?
Die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte soll sich von bisher rund 25.000 auf bis zu 45.000 Betreuungskräften erhöhen. Diese ergänzenden Betreuungsangebote sollen jetzt nicht nur den Demenzkranken wie bisher sondern allen Pflegebedürftigen zur Verfügung stehen. Das soll den Pflegealltag in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Auch von den Entgeltsteigerungen sollen die Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen profitieren.
Es ist von Betreuungskräften die Rede. Sind das Fachkräfte oder extra dafür ausgebildetes Personal? Falls es Fachkräfte sein sollten: woher sollen diese kommen? Wir haben jetzt schon massiven Fachkräftemangel.
Wie werden neue Wohnformen unterstützt?
Der Wohngruppenzuschlag, den Pflegebedürftige aus der Pflegeversicherung erhalten, wenn sie eine Pflegekraft in einer ambulant betreuten Wohngruppe mit mindestens drei Pflegebedürftigen beschäftigen, wird künftig auf 205 Euro pro Monat erhöht. Außerdem gibt es eine Anschubfinanzierung (bis zu 2.500 Euro je Pflegebedürftigen, maximal 10.000 Euro insgesamt je Wohngruppe) für die Gründung einer ambulant betreuten Pflege-Wohngruppe, die künftig einfacher in Anspruch genommen werden kann. Diese Leistungen stehen künftig auch Personen in der so genannten Pflegestufe 0 (insbesondere Demenzkranke) zur Verfügung. Auch der Zuschuss für Umbaumaßnahmen wird deutlich aufgestockt, Wohngruppen können künftig bis zu 16.000 Euro erhalten. Das hilft auch den neuen Wohnformen.
Was verbessert sich für Demenzkranke?
Der Leistungsanspruch von demenziell Erkrankten wird deutlich erweitert. Menschen, die in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind und deren Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I liegt (sogenannte Pflegestufe 0), hatten bisher nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Dieser wird jetzt erweitert: sie erhalten auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen sowie wird ihnen ermöglicht, die Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen zu bekommen.
Was verbessert sich für körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige (z. B. nach einem Schlaganfall)?
Vorwiegend körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige erhalten einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Bislang hatten nur Menschen mit einer auf Dauer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (also insbesondere an Demenz Erkrankte) einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI.
Pflegebedürftige, die stärker körperlich eingeschränkt sind – z. B. nach einem Schlaganfall – erhalten nun ebenfalls einen Anspruch auf entsprechende Leistungen: es werden die Kosten bis zur Höhe von 104 Euro monatlich bzw. 1.248 Euro pro Jahr erstattet.
Wozu dient der Pflegevorsorgefonds?
Mit dem Pflegevorsorgefonds sollen mögliche Beitragssteigerungen in der Zukunft abgefedert werden.
Pflege stärken heißt für auch, Pflege nachhaltig zu sichern. Um die Beitragsbelastung künftiger Generationen und der jetzt jüngeren Menschen in den Jahren zu begrenzen, in denen die geburtenstarken Jahrgänge ins „Pflegealter“ kommen, wird ein Pflegevorsorgefonds in Form eines Sondervermögens gebildet, der von der Bundesbank verwaltet wird. In diesen Fonds werden ab 2015 jährlich die Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (derzeit rd. 1,2 Mrd. Euro) eingezahlt. Ab dem Jahr 2035 kann dann jährlich über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren jeweils bis zu einem Zwanzigstel des angesammelten Kapitals an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung abgeführt werden, um so übermäßige Beitragssatzsteigerungen abzufedern.
Wie werden die Leistungsverbesserungen finanziert?
2015 wird der Beitragssatz in einem ersten Schritt um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für Kinderlose steigen. Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen werden mit den Einnahmen aus 0,2 Prozentpunkten (2,4 Milliarden Euro jährlich) finanziert. Davon fließen 1,4 Milliarden Euro in Verbesserungen für die Pflege zu Hause. 1 Milliarde Euro stehen für Verbesserungen in Pflegeheimen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro pro Jahr fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Dadurch sollen mögliche Beitragssteigerungen abgefedert werden, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen.