Wer entscheidet eigentlich, ob ein stationärer Aufenthalt in einem Pflegeheim notwendig ist?
Nach einigen Recherchen lässt sich folgendes feststellen: es gibt dazu verschiedene Aussagen und Sichtweisen.
Primär ist die Pflege zu Hause zu gewährleisten. Fast jeder möchte so lange wie möglich zu Hause versorgt werden. Ist die Pflege durch die Pflegepersonen oder den Pflegedienst aus verschiedenen Gründen nicht mehr sichergestellt, kann bzw. muss der Pflegebedürftige natürlich in ein Pflegeheim verlegt werden.
Der MDK/Medicproof prüft bei der Erstbegutachtung, welche Leistungen beantragt wurden und ob diese dem Pflegebedarf entsprechen. Beispiel: hat der Pflegebedürftige einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt und Geldleistung angekreuzt, muss geprüft werden, ob ausreichend Pflegepersonen (Angehörige, Bekannte, Freunde, Nachbarn) für die Pflege zur Verfügung stehen. Sollte der MDK/Medicproof bei der Erstbegutachtung schon feststellen, dass dies nicht zutrifft, bewilligt er die Geldleistung nicht, sondern gleich die Sachleistung, damit ein Pflegedienst pflegen kommen kann. Genau so würde er auch prüfen, ob derjenige evtl. gleich in ein Heim müsste.
Wird der Pflegebedürftige nun in seiner häuslichen Umgebung gepflegt und es wird durch den Pflegebedürftigen selbst, durch die Pflegeperson oder den Pflegedienst festgestellt, dass die Pflege zu Hause nicht mehr ausreichend sichergestellt werden kann, wird die Pflegekasse informiert. Jetzt ist die Pflegekasse gefragt, zu handeln.
Der MDK prüft bei den gesetzlich Pflegepflichtversicherten erst, wenn die Pflegekasse den Auftrag erteilt. Es kann vorkommen, dass kein Auftrag erteilt wird, weil die Situation beim Pflegebedürftigen so klar ist, so dass dann der MDK in diesem Fall nicht prüfen würde. Wenn ein Auftrag durch die Pflegekasse erteilt wird, wird durch den MDK meistens nach Aktenlage geprüft, d.h. der Gutachter kommt nicht beim Pflegebedürftigen vorbei.
Vom Medicproof gab es folgende Aussage: „Die Beurteilung der Versorgungssituation bzw. eine Feststellung, dass eine häusliche Versorgung „nicht sichergestellt“ sei, fällt nicht in die Zuständigkeit von Pflegepersonen oder Pflegediensten, sondern ist ebenfalls Bestandteil des Gutachtens. Alle Informationen finden Sie in den Begutachtungsrichtlinien (unter Punkt D5.4 zur Versorgungssituation, unter D5.5 zur Erforderlichkeit vollstationärer Pflege).“ (s. Richtlinien am Ende des Beitrags)
Die privaten Versicherungsunternehmen, die Pflegezusatztarife anbieten, können den Medicproof so oft beauftragen, wie sie wollen, um Gutachten erstellen zu lassen. Der Medicproof weiß oftmals gar nicht, weswegen genau sie prüfen sollen. Das heißt: wenn im Bedingungswerk des Pflegezusatztarifes steht: „es wird in angemessenen Abständen die Pflegebedürftigkeit überprüft“, dann kann der Medicproof so oft beauftragt werden, den Pflegebedürftigen zu begutachten, wie der Leistungsprüfer das möchte.
FAZIT
Es gibt Pflegetagegeldtarife, die leisten 100% stationär in allen 3 Pflegestufen.
Beispiel: Man hat in der Pflegestufe 3 ein Tagessatz von 100 Euro (3.000 Euro monatlich) abgeschlossen. Unstrittig ist immer die Pflegestufe 3, weil die 100 Euro immer geleistet werden, egal, ob man ambulant oder stationär versorgt wird.
Wenn man allerdings in die Pflegestufen 1 oder 2 eingestuft wurde, erhält man je nach Anbieter ambulant in der Pflegestufe 1 z.B. 30%, also 30 Euro pro Tag (900 Euro monatlich) und in der Pflegestufe 2 60%, also 60 Euro pro Tag (1.800 Euro monatlich). Sollte man allerdings im Pflegeheim sein und die Pflegestufen 1 oder 2 haben, dann erhält man aus diesen Tarifen 100 Euro pro Tag (3.000 Euro monatlich). Das ist eine gute Regelung.
Die folgende Tabelle veranschaulicht den Sachverhalt noch näher:
Pflegestufe ambulant stationär 100% stationär Debetsaldo
1 900 EUR 900 EUR 3.000 EUR 2.100 EUR
2 1 .800 EUR 1.800 EUR 3.000 EUR 1.200 EUR
3 3.000 EUR 3.000 EUR 3.000 EUR 0 EUR
Gut geregelt ist, wenn das Bedingungswerk vorsieht: „wir leisten 100% stationär in allen 3 Pflegestufen“.
Leider machen einige Tarife hier Einschränkungen. Wenn es z.B. so ähnlich formuliert ist wie: „Voraussetzung dafür ist, dass die vollstationäre Pflege durch den Medizinischen Dienst der deutschen Pflegepflichtversicherung empfohlen und von der versicherten Person in Anspruch genommen wird.“
oder
„Für vollstationäre Pflege werden 100% des vereinbarten Pflegetagegeldes gezahlt, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheiten des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt.“
oder
„Wählt die versicherte Person vollstationäre Pflege, obwohl diese nicht erforderlich ist, wird das vereinbarte Pflegetagegeld gemäß Ziffer II.1.2 gezahlt. Maßgebend für die Frage, ob die vollstationäre Pflege erforderlich ist oder nicht, ist die Feststellung im Gutachten der Pflegepflichtversicherung.“
Da es anscheinend keine vollkommen einheitliche Regelung im gesetzlichen Bereich gibt, kann man genau derjenige sein, bei dem kein Gutachten erstellt wird und dieses nicht erstellte Gutachten kann auch nicht beim Versicherer einreicht werden. Das heißt, man bekommt lediglich die ambulanten Leistungen in den Pflegestufen 1 und 2 (30 oder 60 Euro) und nicht die 100 Euro (s. Tabelle oben, Spalte Debetsaldo).
Für die Maklerhaftung ist das ein wichtiger Aspekt, sich diese Formulierungen genau anzuschauen.
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Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches Stand 08_2013
D 5.4 Ist die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt?
Festgestellte Defizite in der häuslichen Pflege von mindestens erheblich Pflegebedürftigen – auch bei professioneller Pflege – sind hier darzustellen (vgl. Punkt D 4.0 / IV. „Begutachtungs- bzw. Bewertungsschritte“).
Der Gutachter hat sich zu orientieren
• an der Situation des Pflegebedürftigen,
• an den Belastungen und der Belastbarkeit der Pflegeperson,
• am sozialen Umfeld der konkreten Pflegesituation,
• an der Wohnsituation einschließlich möglicher Wohnumfeldverbesserungen des Antragstellers.
Der Gutachter muss sich darüber im Klaren sein, dass die Feststellung einer nicht sichergestellten Pflege tiefgreifend in familiäre Strukturen eingreifen kann. Grundsätzlich hat die häusliche Pflege Vorrang vor stationärer Pflege. Der Vorrang häuslicher Pflege hat dort seine Grenzen, wo, bedingt durch die familiären und sozialen Verhältnisse, eine angemessene Versorgung und Betreuung im häuslichen Bereich nicht sichergestellt ist.
Wird festgestellt, dass die häusliche Pflege auch bei Realisierung der im Gutachten (Punkt 6 „Empfehlungen an die Pflegekasse/Individueller Pflegeplan“ und Punkt 7 „Erläuterungen für die Pflegekasse“) gegebenen Empfehlungen nicht in geeigneter Weise sichergestellt werden kann, so ist zu empfehlen, dass – bei Laienpflege – ggf. professionelle häusliche Pflege in Anspruch genommen wird.
Hierbei kommen entweder die kombinierte Geld- und Sachleistung oder die alleinige Sachleistung in Betracht oder wenn auch dies nicht ausreicht teilstationäre oder vollstationäre Pflege. Wird vollstationäre Pflege empfohlen ist die Erforderlichkeit unter Punkt 5.5 „Ist vollstationäre Pflege erforderlich?“ im Formulargutachten zu begründen.
Da derartige Empfehlungen auch weit reichende Konsequenzen für den Pflegebedürftigen in Form des Entzugs der gewohnten Geldleistung und für die Pflegeperson in Form versagter Rentenversicherungsansprüche haben können, ist mit solchen Vorschlägen behutsam umzugehen.
Sofern eine akute Gefahrensituation abzuwenden ist, muss der Gutachter selbst unmittelbar Kontakt, z. B. mit behandelnden Ärzten, Pflegediensten, Sozialdienst oder Gesundheitsamt, aufnehmen. Die Umsetzung der weiter gehenden Empfehlungen des Gutachters liegt in der Verantwortung der Pflegekasse.
D 5.5 Ist vollstationäre Pflege erforderlich?
Die Erforderlichkeit ist generell zu prüfen und zu begründen, wenn mindestens erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt. Bei Pflegebedürftigen, bei denen die Notwendigkeit der vollstationären Pflege bereits in einem Vorgutachten festgestellt wurde ist die Frage mit „ja“ zu beantworten. Eine Begründung ist nicht erforderlich.
Liegen Hinweise vor, dass eine Rückkehr in die häusliche Umgebung möglich ist, sind diese zu benennen. Bei einem Antrag auf ambulante Pflegeleistungen und sichergestellter häuslicher Pflege (siehe Punkt D 5.4 „Ist die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt?“) ist die Frage mit „nein“ zu beantworten. In diesem Fall ist eine Begründung nicht erforderlich. Bei Versicherten, die bereits vor dem 01.04.1996 in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebten, wird die Notwendigkeit der vollstationären Pflege unterstellt. Liegt Schwerstpflegebedürftigkeit (Stufe III) vor, wird die Erforderlichkeit von vollstationärer Pflege wegen der Art, Häufigkeit und des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs gleichfalls unterstellt.
Vollstationäre Pflege kann insbesondere erforderlich sein bei
• Fehlen einer Pflegeperson,
• fehlender Pflegebereitschaft möglicher Pflegepersonen,
• drohender oder bereits eingetretener Überforderung von Pflegepersonen,
• drohender oder bereits eingetretener Verwahrlosung des Pflegebedürftigen,
• Selbst- oder Fremdgefährdungstendenzen des Pflegebedürftigen,
• räumlichen Gegebenheiten im häuslichen Bereich, die keine häusliche Pflege ermöglichen und durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs. 4 SGB XI) nicht verbessert werden können.
Das Kriterium des Fehlens einer Pflegeperson bzw. der fehlenden Pflegebereitschaft möglicher Pflegepersonen sollte erst dann als erfüllt betrachtet werden, nachdem der Antragsteller auf die Möglichkeit zur Sicherstellung der häuslichen Pflege, Pflegesachleistung, teilstationäre Pflege oder Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen zu können, hingewiesen wurde.
Eine Überforderung von Pflegepersonen entsteht aus unterschiedlichen Gründen, wie z. B.:
• Die Pflegepersonen sind selbst betagt oder gesundheitlich beeinträchtigt.
• Die Entfernung zwischen dem Wohn- und Pflegeort ist zu groß.
• Die psychische Belastung, die durch eine Pflegesituation entsteht, wird individuell unterschiedlich verarbeitet. So kann bereits bei geringem Pflegeaufwand eine Überforderungssituation entstehen.
Droht ein pflegerisches Defizit durch Überforderung der Pflegeperson, so gilt das Kriterium als erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine absehbar zeitlich befristete Überforderungssituation der Pflegeperson unter Umständen durch Kurzzeitpflege oder teilstationäre Pflege des Pflegebedürftigen behoben werden kann.
Soziale Isolation kann Verwahrlosungstendenzen begünstigen. Anzeichen dafür können u. a. sein
• die Vernachlässigung der Körperpflege,
• unregelmäßige und nicht ausreichende Einnahme von Mahlzeiten,
• die Vernachlässigung des Haushaltes.
Diese Situation kann auftreten, obgleich die Durchführung der hierfür notwendigen Verrichtungen vom körperlichen Funktionszustand her möglich wäre.
Eine Selbstgefährdung kann vorliegen, wenn der Betroffene nicht oder nicht rechtzeitig im Falle des eintretenden akuten Hilfebedarfs Hilfe herbeiholen kann. Eine Selbstgefährdung kann auch dann vorliegen, wenn der Betroffene hochgradig verwirrt oder antriebsarm ist, den Realitätsbezug verloren hat, schwer depressiv ist oder Suizidtendenzen vorliegen. Selbstgefährdung kann mit Fremdgefährdung einhergehen. Insbesondere liegt Fremdgefährdung vor, wenn der Antragsteller die Übersicht im Umgang mit Strom, Gas und Wasser verloren hat. Für solche Gefährdungen müssen konkrete Hinweise vorliegen.
Räumliche Gegebenheiten im häuslichen Bereich, die ein wesentliches Hindernis für die häusliche Pflege darstellen können, sind z. B. die Lage von Toilette und Bad außerhalb der Wohnung, die fehlende Rollstuhlgängigkeit der Wohnung (z. B. infolge zu schmaler Türen von Küche, Bad und WC). Liegt eine entsprechende Situation vor, sollte zunächst geprüft werden, ob durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen häuslichen Wohnumfeldes die wesentlichen Hindernisse für die ambulante Pflege zu beseitigen sind und damit vollstationäre Pflege vermeidbar ist.
Über den Autor: Leonie Pfennig
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